Wir müssen dieser Krise aktiv begegnen und die Chancen nutzen, die sich bieten

Artikel von Anton Bruni (Der Murtenbieter)

Der Freiburger Staatsrat will die wirtschaftliche Tätigkeit im Kanton Freiburg unterstützen.  Mit den Sofortmassnahmen, dem Wiederankurbelungsplan und Massnahmen für Führungskräfte hat der Freiburger Staatsrat weit über 100 Millionen Franken bereitgestellt.

Olivier Curty, die Situation rund um die Corona-Pandemie bleibt sehr angespannt. Nach tieferen Zahlen sind die Neuinfizierungen nun wieder stark angestiegen. Wie erleben Sie den Alltag als Volkswirtschaftsdirektor?

Seit März fühlen wir uns im Auge eines Zyklons mit ungewissem Ausgang. Wir haben unverzüglich, nachdem der Bundesrat am 16. März die aus serordentliche Lage ausgerufen hat, 50 Millionen Franken für Sofortmassnahmen bereitgestellt. Es bestand zudem ein grosser Informationsbedarf. Die drei Hotlines «Gesundheit», «Wirtschaft und Unternehmen» und «Alltag» haben insgesamt 22 000 Anrufe entgegengenommen.

Wie viele Mitarbeitende standen im Dienst?

Am meisten Anfragen hatte die Volkswirtschaftsdirektion in Sachen Kurzarbeit. 15 Personen nahmen 8400 Anrufe entgegen.

Das Bruttoinlandprodukt (BIP) in der Schweiz erlebte im zweiten Quartal einen historischen Einbruch von 8,2 Prozent und es wird von einer Rezession gesprochen. Wie sieht es im Kanton Freiburg aus?

Das Seco geht für das Jahr 2020 mit einem Einbruch von rund 3,8 Prozent des BIP aus. Der Kanton Freiburg wird mit seiner diversifizierten Wirtschaft und einem starken Bau- und Lebensmittelsektor sicherlich etwas besser als die Mehrheit der anderen Kantone abschliessen. 2021 soll es dann eine rasche und kräftige Erholung geben. Die Prognosen ändern jedoch in kurzen Intervallen und wir arbeiten mit verschiedenen Szenarien. Entscheidend ist, einen zweiten Lockdown zu verhindern.

Wie ordnen Sie die gegenwärtige wirtschaftliche Lage ein, die ja auch für den Kanton einmalig ist?

Dazu möchte ich auf die Kurzarbeitsentschädigung hinweisen. In den letzten Jahren wurden pro Jahr durchschnittlich rund 30 Gesuche für Kurzarbeit gestellt. Heuer waren es deren 7108! Diese konnten per Anfang September verlängert werden. Wir stehen nun bei etwas mehr als 1063 Gesuchen.

Um wie viele Unternehmen und betroffene Arbeitnehmende ging es da?

Im März dieses Jahres waren es 29 Unternehmen und 188 Arbeitnehmende. Am Höhepunkt der Krise sind Gesuche für über 60 000 Arbeitnehmende bei uns eingegangen. Die kantonale Arbeitslosenkasse hat im Mai schlussendlich Kurzarbeitsentschädigung für 35 000 Arbeitnehmer ausbezahlt. Im Juni waren es 32 000.

Wie sah die Situation bei den Personen aus, die auf Stellensuche waren?

Im Vorjahr hatten wir zur gleichen Zeit 6922 arbeitsuchende Personen. In diesem Jahr waren es 9826, was 2904 Personen mehr sind und eine Zunahme von 42 Prozent darstellt. Diese starke Zunahme von stellenlosen Personen macht mir grosse Sorgen, umso mehr, als dass wir eine zweite Welle von Entlassungen nicht ausschliessen können.

Ende September 2020 betrug jedoch die Arbeitslosenquote im Kanton Freiburg erneut 3,4 Prozent, wie es bereits Ende Juli der Fall war. Das ist doch wiederum eine positive Entwicklung. Wie schätzen Sie die neue Situation ein?

Ich glaube, das zeigt, dass wir mit unserer Strategie bestehend aus Covid-Krediten, Kurzarbeitsentschädigungen und kantonalen Sofortmassnahmen nicht ganz falsch lagen. Ziel war immer, Unternehmenskonkurse und Entlassungen zu verhindern. Wir haben auch darum gekämpft – trotz riesigem Druck aus der Romandie –, die Baustellen nicht zu schliessen. Es handelt sich jedoch um eine höchst atypische Krise und das Pendel kann jederzeit massiv ausschlagen. Es ist ungewiss, was uns erwartet. Wir bereiten uns auf das Schlimmste vor in der Hoffnung, dass es nicht eintrifft.

Können Sie etwas zu den bisherigen finanziellen Konsequenzen von Covid-19 sagen?

Im Jahr 2019 bezahlten wir im Kanton rund 100 Millionen Franken für Arbeitslosenversicherung, Kurzarbeit und Erwerbsersatzordnung aus. In den ersten neun Monaten dieses Jahres waren es bereits 374 Millionen Franken. Die grösste Zunahme ist bei der Kurzarbeitsentschädigung festzustellen: 860 000 Franken im Jahr 2019 versus 190 Millionen Franken in den ersten neun Monaten des Jahres 2020.

Wie wirkte sich die wirtschaftliche Krise auf die Neugründung von Firmen im Kanton Freiburg aus?

Das ist spannend zu beobachten. Im Vergleich der Jahre 2019 und 2020 verlief die Kurve bis März parallel. Dann kam der Einbruch. Im April 2019 waren es 155 und im April dieses Jahres zählten wir nur gerade 74 Neuanmeldungen im Handelsregister. Ab Mai fand jedoch ein Nachholeffekt bei den Eintragungen ins Handelsregister statt.

Kommen wir auf die kantonalen Sofortmassnahmen zurück. Welche Leistungen wurden bisher an welche Unternehmenssparten im Kanton Freiburg ausgerichtet?

Die 14 Verordnungen sind sehr breit gefächert. Mit 5 Millionen Franken wurden 2200 Geschäftsmieten und Pachtzinsen für einen Monat übernommen. 4 Millionen Franken flossen direkt in den lokalen Handel in Form von Gewerbegutscheinen (Kariyon). Im Tourismusbereich wurden insbesondere die Hotels unterstützt. Weitere Unterstützungsmassnahmen galten der Kultur, dem Sport, den Medien und der Berufsbildung. Es wurden Unternehmenskredite für Jungunternehmen gewährt und Beratungsgutscheine vergeben.

Der Kanton Freiburg unterstützt die elektronische Plattform Kariyon.  Was gab dazu den Ausschlag?

Die Idee bestand darin, unsere lokalen Unternehmen zu unterstützen, indem der Konsum durch verbilligte Unternehmensgutscheine angekurbelt wird. Die Gutscheine, auf denen ein Rabatt von 20 Prozent vom Kanton übernommen wird, waren in Windeseile weg. Der Gesamtumsatz betrug über 17 Millionen Franken. Der Grosse Rat hat diese Woche eine Verlängerung dieser Massnahme bis Ende dieses Jahres beschlossen. Mit 2 Millionen Franken soll neu 10 Prozent Rabatt auf den Gutscheinen gewährt werden.

Wie gedenkt der Freiburger Staatsrat angesichts der zukünftigen Herausforderungen aufgrund von Covid-19 weiterzufahren?

Während der Sommerpause haben wir an weiteren Massnahmen gearbeitet und einen Wiederankurbelungsplan auf die Beine gestellt. Aus über 100 geprüften Massnahmen wurden 25 ausgewählt. Diese sollen einerseits die schwächsten Mitglieder unserer Gesellschaft und die Wirtschaft unterstützen und andererseits die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft fördern. Der Grosse Rat hat diesen Massnahmen im Umfang von 63 Millionen Franken diese Woche zugestimmt. Weiter werden bereits beschlossene Steuersenkungen für natürliche Personen trotz Krise umgesetzt.

Welches sind die Prioritäten, die Sie als Volkswirtschaftsdirektor in der gegenwärtigen und zunehmend unsicheren wirtschaftlichen Situation setzen?

All die Massnahmen müssen nicht nur konzeptuell ausgearbeitet und juristisch in eine Form gebracht werden. Sie müssen auch effizient umgesetzt werden. Unsere Arbeit ist getan, wenn das Geld bei den Unternehmen und den Menschen angekommen ist. Das ist eine Herkulesarbeit und muss zusätzlich zu den bestehenden Aufgaben bewältigt werden. Wir haben in gewissen Bereichen Schichtarbeit eingeführt und die Wochenenden gleichen mittlerweile den ordentlichen Wochentagen.

Wie geht es weiter nach dem Wiederankurbelungsplan?

Nach den dringlichen Sofortmassnahmen, dem Wiederankurbelungsplan und deren Umsetzung erarbeiten wir in Koordination mit dem Bund Hilfen für sogenannte Härtefälle wie beispielsweise Busunternehmen oder Reisebüros, deren Umsätze ins Bodenlose gesunken sind und die ohne Hilfe wohl allesamt Konkurs anmelden werden. Wie während der gesamten Krise müssen die kantonalen Massnahmen mit den Bestrebungen auf Bundesebene abgestimmt werden. Das geht so weit, dass eine Vertreterin der Volkswirtschaftsdirektion in der Arbeitsgruppe zur Ausarbeitung einer eidgenössischen Verordnung in diesem Bereich mitarbeiten darf. Das ist sicherlich eine Wertschätzung der bereits geleisteten Arbeit und erleichtert uns natürlich die Abstimmung mit den kantonalen Massnahmen.

Sie und Ihre Direktion wurden von der Corona-Pandemie überrascht und stehen vor grossen Herausforderungen und vor einer unsicheren Zukunft? Wie fühlen Sie sich in dieser schwierigen Situation?

Es ist eine sehr herausfordernde Zeit, die sowohl physisch als auch psychisch alles abverlangt. Meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter leisten eine grosse Arbeit. Die Erwartungen an die Politik sind enorm und die Unterschiede zwischen den beiden Sprachgruppen zu meistern eine echte Herausforderung. Es ist wichtig, die Stimme des Seebezirks und Deutschfreiburgs in Freiburg klar zu vertreten. Zu Beginn fühlte ich mich als Sprinter, danach als Mittelstreckenläufer und jetzt bin ich auf einem Marathonlauf unterwegs, der sicherlich in die Verlängerung gehen wird.

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